Alle zwei Jahre öffnen sich die Türen der Kölner Messe für die ORGATEC. Dieses Mal ließ sich ein frischer Wind in der Leitmesse für moderne Arbeitswelten spüren, der möglicherweise in die falsche Richtung bläst. Ein Kommentar von Katharina Schmidt.

Das Leitmotiv der ORGATEC 2016 „Creativity works – Arbeit neu denken“ soll sich als Suche nach ganzheitlichen Lösungen für die Anforderungen der Arbeitswelten von morgen übersetzen. Konkret: Eine vernetzte und flexible Arbeitskultur sei mit Maßnahmen für Wohlbefinden und Gesundheit zu kombinieren. Akustik, Licht und Design sollen nicht mehr als Einzelakteure auftreten, sondern zu einem Gesamtkonzept fusionieren. In Köln entfaltete sich der Begriff „Wohlbefinden“ jedoch zu etwas, das sich über weit mehr als optimiertes Raumklima mit ergonomischen Büromöbeln erstreckte. Gestylte Wohnzimmer-Kulissen luden zum Rumlümmeln ein, hippe Spielwiesen animierten zum toben. Stolz wurden Konzepte präsentiert, die das Büro nicht mehr auf bloße Arbeit reduzierten, sondern als einen Ort des sozialen Happenings stilisierten. Herrschender Modus war dabei eine Flexibilität, die nicht nur Gestaltung und Organisation des Arbeitsplatzes umfasste, sondern auch die kommunikativen Begegnungen bestimmen sollte. Weg von der Förmlichkeit, hin zum freien Austausch; in allen Ecken des Büros soll Futter für Kreativität, Konzentration und offene Kommunikation stecken. Unzählige Broschüren brüllten die Botschaft, den nine-to-five Bürohengst als Relikt des 20. Jahrhunderts endlich hinter sich zu lassen, um das innere Kreativgenie mit sämtlichen individuellen Bedürfnissen zu kanalisieren. Viele Exponate legten zudem fest, dass sich Kollegen von nun an als Spielgefährten in einer zunehmend informellen, verspielten Landschaft begegnen. Da drängt sich die Frage auf: Müssen Design, Innovation und die gewisse Lockerheit her, damit sich das mit dem Arbeiten im 21. Jahrhundert auch richtig anfühlt?

Die Gestaltung der ORGATEC 2016 beweist, dass der Generationswechsel in der Arbeitswelt Fahrt aufnimmt. Die gern kritisierten Millennials strömen schon seit einigen Jahren auf den Arbeitsmarkt und fragen nach dem „warum“ – daher auch Generation Y (why). Aufgewachsen mit westlichem Appell zur Selbstverwirklichung, verkörpern sie die Idee, dass persönliche Träume den Werdegang determinieren. Der Job ist dabei zentrales Objekt der eigenen Sinnsuche, denn die Lebenszeit gilt als wichtiges Gut, als einmalige Chance, und sollte nicht der Verschwendung anheimfallen. Somit sind Lifestyle und Anerkennung nicht mehr den vereinzelten Führungskräften, die für sich arbeiten lassen, vorbehalten. Die häufig älteren Arbeitgeber können nicht anders als entgegenkommend reagieren, da ihnen die neuen, gut ausgebildeten Arbeitskräfte sonst in die Gründerszene mit diesen Startups abhauen, zur Konkurrenz mutieren und möglicherweise ohne sie die Zukunft gestalten.

Mehr Mut zur Bodenständigkeit und Sinnhaftigkeit
Wie also die nötige Sexiness für die jungen Anspruchsvollen herstellen? Nun, die neuen Arbeitskräfte wollen vom Arbeitsumfeld angeblich in jeder Hinsicht begeistert werden. Ökologische Nachhaltigkeit, Ergonomie, Gesundheit, Flexibilität, Design und maximale Förderung der Kreativität sind die neuen Anforderungen an das Büro. Jedoch ist fraglich, ob ein Spielplatz, der tatsächlich auf der ORGATEC 2016 ausgestellt war, diese Begeisterung generieren kann (wessen Versicherung zahlt dann eigentlich im Schadensfall?).
An dieser Stelle möchte ich dem Millennial in mir das Wort übergeben: Die Ansprüche von uns Jungen sind vielmehr als Wunsch nach Wertschätzung statt nach Coolness zu interpretieren. Es muss nicht verschleiert werden, dass es beim Job um Arbeit geht. Diese sollte aber nicht krank machen. So gesehen, sind die Forderungen von uns mittlerweile berufstätigen Millennials nichts Unverschämtes, sondern vollkommen natürlich. Seit Anbruch des digitalen Zeitalters verstecken sich zunehmend Burnout und Depressionen hinter vielen krankheitsbedingten Arbeitsausfällen. Neben allgemeiner Überlastung besitzen schlechte Arbeitsplatzbedingungen einen noch oft unterschätzten Stressfaktor, den wir nicht mehr hinnehmen wollen. Maßnahmen für Gesundheit und Wohlbefinden, wie ergonomische Möbel, optimierte Licht- und Akustikverhältnisse, erfinden zwar das Rad nicht neu, sind aber eine Botschaft der Wertschätzung, von der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (ob jung oder alt) gleichermaßen profitieren und schöpfen.
Motivation, Produktivität und vor allem Kreativität benötigen eine Umgebung, die Konzentration fördert und Stressfaktoren minimiert. Wenn es also heißt „Creativity works“, muss Arbeit noch stärker im Paradigma der Gesundheit statt ausgeflippter Designs gedacht werden. Gespannt blicken wir also auf die ORGATEC 2018.